Schematherapie
Die Schematherapie nach J. Young ist eine Psychotherapiemethode, die der dritten Welle der Verhaltenstherapie zugeordnet wird. Die Methode wurde vor allem für die Behandlung von komplexen psychischen Problemen entwickelt.
Sie bezieht sich dabei nicht nur auf aktuelle Probleme, sondern auch auf deren Entstehungsgeschichte, die überwiegend in der Kindheit und Jugend zu finden sind.
Die Schematherapie verbindet die Vorteile der Grundannahmen und Techniken der psychodynamischen Therapie und der kognitiven Verhaltenstherapie sowie neuerer psychotherapeutischer Verfahren wie Gestalttherapie, Hypnotherapie oder Transaktionsanalyse und integriert diese in ein strukturiertes und umfassendes Gesamtkonzept.
Was ist ein Schema?
Der Mensch entwickelt in seiner Kindheit Vorstellungen (Schemata) von sich selbst, von anderen und von der Welt. Diese Schemata sind die Basis dafür, wie er später im Erwachsenenalter mit unterschiedlichen Situationen umgeht. Somit ist ein Schema ein starres Muster von miteinander verbundenen Erinnerungen, Gefühlen und Gedanken, das normalerweise in der Kindheit entwickelt wird. Wenn die Grundbedürfnisse von Kindern (bspw. Sicherheit, Bindung, Autonomie) erfüllt werden, entstehen gesunde Schemata und Kinder können positive Bilder von sich selbst, anderen und der Welt als Ganzes entwickeln. Manche Menschen erfahren jedoch in der Kindheit z. B. keine Unterstützung und Sicherheit und werden emotional vernachlässigt. Dies hindert sie daran, gesunde Konzepte über sich selbst und ihre Umwelt zu entwickeln. In Wechselwirkung mit biologischen Faktoren (Temperament und Veranlagung des Kindes) entwickeln sich dann dysfunktionale (problematische) Schemata. Wenn traumatische Erfahrungen wie der Verlust eines Elternteils oder emotionaler, körperlicher oder sexueller Missbrauch hinzukommen, ist die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung dysfunktionaler Schemata noch größer.
Was sind dysfunktionale Bewältigungsstrategien?
Bewältigungsstrategien sind Mechanismen für den Umgang mit den durch die Schemata ausgelösten unangenehmen Emotionen. Es gibt drei Methoden, mit diesen Emotionen umzugehen: Kämpfen, Erstarren, Fliehen. Dies lässt sich bspw. auch bei Angst und Bedrohung im Tierreich beobachten. Werden bei Menschen Schemata aktiviert, so reagieren sie mit einer dieser Bewältigungsstrategien:
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Überkompensation (Kampf, dem Schema entgegengesetztes Verhalten)
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Schutz vor belastenden Emotionen durch Dominanz, Kontrolle oder Machtstreben (z. B. Suche nach Aufmerksamkeit und Bestätigung, manipulatives oder aggressives Verhalten)
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Unterwerfung (Erstarren, schemabestätigendes Verhalten)
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Schutz vor Auseinandersetzung mit belastenden Emotionen und Problemen (Situationsvermeidung, Überlagerung durch Selbstberuhigung oder -stimulation wie Substanzenmissbrauch, exzessives PC-Spielen etc.)
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Vermeidung (Flucht, schemavermeidendes Verhalten)
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Stabilisierung durch die Anpassung an die Wünsche anderer und dadurch Schutz vor belastenden Gefühlen (z. B. zurückstellen eigener Bedürfnisse aus Angst vor Zurückweisung oder Strafe, Verharren in schädlichen Beziehungen)
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Was ist ein Modus?
Bei Patienten mit (chronischen) psychischen Problemen sind häufig so viele Schemata und Bewältigungsstrategien gleichzeitig aktiviert, dass es weder für Patientinnen und Patienten noch für Psychotherapeuten möglich ist, den Überblick zu behalten. Um dieses Problem zu lösen, wurde das so genannte Modus-Modell konzipiert. Ein Modus ist ein bestimmtes Verhaltenssteuerungsprogramm, das maßgeblich das Fühlen, Denken und Handeln in der aktuellen Situation bestimmt. Man kann sich den Modus ähnlich wie eine DVD vorstellen: Wenn eine DVD in den DVD-Player eingelegt wird, erscheint auf dem Bildschirm eine bestimmte vorgegebene Abfolge von Bildern und Musik. Übertragen gesehen wird das Einlegen der jeweiligen "Modus-DVD" durch bestimmte Umgebungsbedingungen oder Gedanken ausgelöst (die "emotionalen Knöpfe"). Ist die "Modus-DVD" dann eingelegt, werden alle Informationen im Sinne des Modus ausgewertet, ein für den Modus typisches Muster an Gefühlen, Gedanken, Körperreaktionen und Verhalten wird somit vorgegeben.
Jeder Mensch hat verschiedene gesunde bzw. adaptive und maladaptive Modi. Zu jedem Zeitpunkt sind einige dieser Modi inaktiv, während der vorherrschende, aktive Modus ("die eingelegte DVD") unsere Sicht auf uns selbst und die Umwelt, unsere Stimmungslage und unser Verhalten bestimmt, ohne dabei vollständig bewusst zu sein. Jeder Mensch kann lernen, zu erkennen, welche "Modus-DVD" er gerade eingelegt hat. Dies ist sehr hilfreich, um das eigene Handeln, Denken und Fühlen zu verstehen, reflektieren und gegebenenfalls schrittweise zu verändern, wenn es zu Schwierigkeiten führt (die "DVD zu wechseln").
Schemata sind überdauernd und sehr rigide, wohingegen Modi sehr schnell wechseln können und den emotionalen Zustand im Hier und Jetzt betreffen.
Es gibt vier Gruppen von Modi: Kindliche Modi, Elternmodi (Kritiker/Antreiber), Bewältigungsmodi und gesunde Modi.
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Kindmodi: Im kindlichen Modus werden die Menschen von ihren Gefühlen regelrecht übermannt und fühlen sich ihnen ausgeliefert. Sie fühlen sich z. B. sehr traurig, verlassen, ohnmächtig oder aber sehr wütend und handeln impulsiv.
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Elternmodi: Hierbei handelt sich um erlernte und verinnerlichte negative Bewertungen, Regeln und Normen enger früherer Bezugspersonen. Unterschieden wird zwischen dem „innerer Kritiker“ (z. B. „Du bist ein Versager“) und dem „inneren Antreiber“ („Du musst immer Bestleistungen erbringen.“). In diesem Modi gehen Menschen sehr hart mit sich ins Gericht. Sie sind selbstabwertend, fordern viel Leistung und bestrafen sich für kleinste Fehler.
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Der Gesunde Erwachsene: In dem Gesunden Erwachsenen Modi können Menschen adäquat mit intensiven Emotionen umgehen, Probleme lösen und gesunde Beziehungen zu anderen Menschen gestalten. Sie sind sich ihrer Bedürfnisse, Möglichkeiten und Grenzen bewusst und handeln entsprechend ihrer Werte und Ziele. Diesen Anteil gilt es im Rahmen der Therapie zu stärken.
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Bewältigungsmodi: In den Bewältigungsmodi versuchen Menschen mit den emotionalen Schmerzen, die durch die kindlichen und Elternmodi ausgelöst werden, umzugehen. Hierzu werden die oben beschriebenen Bewältigungsstrategien (Überkompensation, Unterwerfung und Vermeidung) angewendet.
Ziele in der Schematherapie
Die Patientin bzw. der Patient und Psychotherapeut haben in der Schematherapie das Ziel und die Aufgabe, die kindlichen Modi zu versorgen und zu trösten, sodass die frustrierten Bedürfnisse im Hier und Jetzt erfüllt werden und neue gesündere Schemata erlernt werden können. Gleichzeitig gilt es, sich dem "Kritiker" bzw. "Antreiber" zu ermächtigen. Die dysfunktionalen Bewältigungsstrategien (z. B. Handlungen die zum Teil entgegengesetzt zu den eigenen Bedürfnissen stehen) sollen hinterfragt und ggf. durch gesündere Strategien ersetzt werden. Das allerwichtigste Ziel ist es, den Modus des Gesunden Erwachsenen so zu stärken, dass die Patientin bzw. der Patient selbst mehr und mehr diese Aufgaben übernehmen kann.
Bestandteile der Schematherapie?
Die Therapie nutzt verschiedene Methoden und Übungen, um die Ziele zu erreichen. In diesem Prozess ist die therapeutische Beziehung von wesentlicher Bedeutung. Die therapeutischen Techniken beginnen über drei Zugangswege:
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über das Denken (kognitive Techniken),
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über das Fühlen (emotionsorientierte Techniken) und
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über das Handeln (verhaltensbezogene Techniken).
Kognitive Techniken beschäftigen sich mit Gedanken und Vorstellungen über sich selbst, andere Menschen und die Welt. Sie werden eingesetzt, um die Gültigkeit von Schemata oder Modi zu überprüfen. Zu den kognitiven Techniken gehören: Wissensvermittlung zu den Schemata und Modi, zu den Grundbedürfnissen von Kindern und zu Emotionen, Pro- und Kontra-Überlegungen zu bestimmten wichtigen Gedankengängen oder Handlungsmustern, das Führen von Modus-Tagebüchern, die Analyse des Zusammenspiels verschiedener Modi in schwierigen Situationen, das Erstellen von Selbstinstruktionskarten (Karten mit hilfreichen Alternativüberlegungen, welche die Aussagen dysfunktionaler Modi relativieren) oder das Führen eines Ereignis-Tagebuchs.
Emotionsorientierte Techniken sind Techniken, die sich direkt auf Emotionen beziehen. Bei den meisten Patientinnen und Patienten wurde in der Kindheit der Ausdruck von Gefühlen oder Bedürfnissen unterdrückt, bestraft oder nicht beachtet. Daraus resultieren im Erwachsenenleben vielfältige Probleme im Umgang mit Gefühlen. Ein wichtiges Thema der Psychotherapie ist somit die Entwicklung eines neuen Umgangs mit Emotionen und Bedürfnissen. Die wichtigsten emotionsorientierten Techniken sind imaginative bzw. hypnotherapeutische Verfahren und sogenannte „Stuhldialoge“. Bei Imaginationsübungen bittet der Psychotherapeut den Patienten, die Augen – wenn möglich – zu schließen und sich eine bestimmte Situation vorzustellen (z. B. einen sicheren Ort oder eine Situation in der Vergangenheit). Da ein möglichst intensiver Kontakt zu den Emotionen gewünscht ist, wird die Patientin bzw. der Patient bei Imaginationsübungen gebeten, möglichst in Ich- und Gegenwarts-Form zu berichten. Beim "Imagery Resripting" unterstützt Sie der Psychotherapeut, unangenehme Kindheitserinnerungen in der Weise zu verändern, dass Sie als Kind sicher sind (z. B. durch Stoppen von problematischen Verhaltensweisen anderer) und die Bedürfnisse ausreichend versorgt werden. Auf diese Weise kann die Erfahrung gemacht werden, dass die damaligen Emotionen und Bedürfnisse normal waren, nicht aber das Verhalten seitens des Umfeldes.
Bei den Stuhldialogen werden Dialoge zwischen verschiedenen Modi oder zwischen einem Schema und einer gesunden Sichtweise durchgeführt. Diese verschiedenen Seiten werden auf verschiedenen Stühlen dargestellt.
Den verhaltensbezogenen Techniken kommt ebenfalls eine essenzielle Bedeutung zu. Nicht nur Emotionen und Gedanken sind Gegenstand der Behandlung, sondern auch das Verhalten. Verhaltensbezogene Techniken sind Übungen bzw. Verhaltensexperimente, mit denen neues Verhalten gezielt erprobt wird. Hierzu gehören beispielsweise das Üben von neuen Verhaltensweisen, Rollenspiele oder der Aufbau von Aktivitäten. Teilweise kommt es in diesem Kontext auch zu Veränderungen in wichtigen Lebensbereichen, da die dysfunktionalen Bewältigungsstrategien beendet werden und (langjärhige) Muster unterbrechen werden.